Das Literaturcamp Heidelberg 2018 – ein Rückblick

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Das Literaturcamp Heidelberg 2018 – ein Rückblick


Wer mir auf Twitter folgt hat letztes Wochenende (16./17. Juni 2018) mitbekommen, dass ich auf dem diesjährigen Literaturcamp in Heidelberg unterwegs war.

Ich möchte euch natürlich auch ein bisschen berichten, wie es da so war, werde allerdings nicht auf die Sessions direkt eingehen, sondern eher auf das allgemeine Gefühl und die Dinge, die ich, mehr als die Inhalte der Sessions noch, mitgenommen habe.

Hier also der Bericht zum Event aus der Sicht eines Barcamp-Neulings.


Mein erstes Barcamp

Das Ticket hatte ich etwa eine Woche vorher durch Netgalley gewonnen und war dadurch ein wenig überrumpelt. Keine Fahrkarte, keine Unterkunft, kein Plan.

Ich twitterte meine Überrumpelung und hatte keine 30 Minuten später eine Unterkunft bei meiner wundervollen Kollegin Eva-Maria Obermann und eine Verabredung zu einer gemeinsamen Session mit Aurelia. Wir halten fest: das Netzwerk rund um das Litcamp ist einfach wundervoll.

Damit stand es fest, ich fahre aufs #Litcamp18 – mein erstes Barcamp.

Da ich freitags noch anderweitig eingespannt war und meine gute Freundin Sonia dazu überredet hatte, mit mir zum Camp zu fahren, ging es erst Samstagmorgen los – und wie es losging. Nämlich gar nicht, irgendwie.

Der Bus wollte nicht so wie wir und nach einigen Wutausbrüchen und Schimpftiraden gen Busunternehmen hatte Sonia uns schließlich einen anderen Weg organisiert nach Heidelberg zu kommen. Als wir endlich (gegen 11 Uhr morgens) am Dezernat 16 ankamen wurde mir erstmals so richtig bewusst, auf was ich mich da eingelassen hatte.

Überforderung und Einfindung

Ich stand mit Sonia am Rand und sah einen großen Raum mit Rund 200 Leuten darin, von denen ich bisher noch niemanden offline kannte. Es war, um es milde zu sagen, ernüchternd.

In solchen Momenten bin ich sehr froh eher extravertiert zu sein. Ist man schüchtern, kann ich mir gut vorstellen, dass man da Panik bekommen kann.

Zum Glück standen ein paar Camp-Helfer*innen bei der Anmeldung, die uns schnell auf der Liste abhakten und dann konnte es losgehen. Also theoretisch. Praktisch war ich froh, als ich Aurelia in der Schlange zur Sessionplanung entdeckte – sonst wäre ich erst mal still am Rand verweilt. Aber wir wollten ja eine Session halten. Also hallo sagen, kurz umarmen, sicher gehen, dass man auch die richtige Person angesprochen hat und dann warten, bis man dran ist.

Spoiler: Wir standen zu weit hinten. Also kurze Umplanung für eine Nachtsession, um den anderen den Vortritt zu lassen.

Jetzt bereits zu dritt warteten wir die Sessionplanung ab und stürmten dann zusammen mit dem halben Raum zum Planungsboard, um uns den Tagesplan zusammenzustellen.

Niemand kennt mich

Meine erste Session ging dann auch direkt los und so verkrümelte ich mich von meiner frisch gefundenen Gruppe und gesellte mich zu Benjamin Spang, dessen Session ich mir direkt anschauen wollte. Eine weitere ernüchternde Feststellung folgte auf den Fuß – niemand kennt mich. Online relativ bekannt, offline unbekannt und alleine. Ein seltsames Gefühl, vor allem wenn es scheint, als würden alle anderen sich schon seit Jahren kennen.

Egal, da muss ich jetzt durch! Nachdem man mit allen anderen Sessionteilnehmern die Twitternamen austauschte und sich gegenseitig gefolgt war, begann die Session und brachte mich auf andere Gedanken. Nach der Veranstaltung dann endlich ein bekanntes Gesicht, beziehungsweise ein bekannter Twittername, der einen auch erkennt. Danke an dieser Stelle an Claus, der mir das erste Mal Heimatgefühl auf dem Camp verschafft hat, in dem er mich erkannte und von dieser Stelle an immer wieder eine sichere Ansprechperson war, wenn ich mich mal verloren in der Masse fühlte.

Mit mehr Selbstbewusstsein ging es nun also zurück in die Haupthalle und zielstrebig zur nächsten Person, von der ich mir erhoffte, dass sie mich auch kennt.

Und dann ging alles sehr schnell – binnen Minuten wurde ich von einer bekannten Person zur nächsten geleitet, bis mir klar wurde, dass ich jede*n auf diesem Barcamp irgendwoher kannte. Leute fragten über Twitter wo ich denn sei, weil sie mich schon gesucht hätten. Es wurde sehr viel umarmt und geplaudert. Grüße an dieser Stelle vor allem an Nora, Wiebke und Tanja! ♥

Beim Mittagessen wurde lustig miteinander geschwatzt, wonach es zur nächsten Session ging und bevor ich es mir versah, war ich mit einer Gruppe sehr netter Leute unterwegs in der epischen Quest Abendessen zu beschaffen. Danach ging es mit Aurelia zur Nachtsessionplanung.

(Sessionthemen: Twitterfanbase aufbauen, Jugendliche Leserschaft erreichen, Genres, Toxische Beziehungen als Lovetrope, Weltenbau mit Videospielen/PnP)

Worum es geht

Das war für mich der erste wirklich bleibende Eindruck des Litcamps: man findet sich wirklich schnell ein. Was am Anfang nach einer unfassbar großen Menschenmenge aussieht, wird rasch kleiner, bis man seine Onlinefamilie darin wiedererkennt. Man lacht, blödelt herum, knüpft neue Kontakte (meine persönliche Entdeckung des Camps ist ja Bianca, die eine meiner Lieblingssessions zum Thema Genre gehalten hat und ein wundervoller, erfrischender Mensch ist) und geht von Grüppchen zu Grüppchen, wird von jedem angelächelt und aufgenommen.

Der zweite bleibende Eindruck war der Respekt. Nicht nur, dass nichts gestohlen wurde und jede*r von jedem als gleichwertig angesehen wurde – auch die Tatsache, dass ich bei einer schwierigen Session eine Pause brauchte und komplett in Ruhe gelassen wurde. Wer auf dem Litcamp eine Pause braucht, bekommt sie auch.

Gleichzeitig wird man aber auch von der Freundschaftlichkeit übermannt, die in der Luft liegt. Menschen, die man eigentlich nur online kennt stehen auf einmal vor einem und es ist, als wäre man seit Jahren befreundet. Ob es nun die lieben Kolleginnen vom Nornennetz, meine Geschichtsschwestern im Geiste Aurelia und Francis, die großartige Joy und der fantastische Karl-Heinz Zimmer – ich hatte zu allen Zeiten nette, wundervolle Menschen um mich herum.

Zurück zum Thema, bevor ich hier wieder den Litcampblues in mir selber wecke (zu spät, aber egal).

Die Nachtsession

Nachdem wir ein bisschen überrumpelt von dem Interesse an unserer Session waren, bemerkten Aurelia und ich, dass wir dabei gestreamt werden. Na klasse. Wir richteten also unsere Folien, machten uns bereit und dann ging es los.

Ich stotterte die ersten zehn Minuten unprofessionell in die Kamera, während Aurelia seelenruhig neben mir über Jamie Lannister herzog und dann kamen die ersten Lacher aus dem Publikum und alles wurde ganz leicht. Das ist auch ein Teil des Litcamps: zu lernen, dass man keine Angst vor den Menschen im eigenen Publikum haben muss. Sie sind da, weil sie sich für die Session interessieren und man kann eigentlich nicht wirklich was falsch machen. Es ist ein Barcamp – so lange alle Spaß haben, läuft es.

Rund 15 Personen hörten uns anfangs dabei zu, wie wir über das Mittelalter und die Klischees aufregten und unsere Fachgebiete humoristisch gegeneinander ausspielten.

Im Hintergrund gab es Waffeln, was immer mehr Leute dazu bewegte, uns zuzuhören. Am Ende waren es etwa 30 Menschen, die uns applaudierten, bevor wir von Komplimenten quasi erdrückt wurden. Ein komisches Gefühl, was bis heute nicht ganz bei mir angekommen ist. Man erzählt was über Kleidung im 14. Jahrhundert und Leute sind super interessiert, hören zu, stellen fragen und finden das Ganze am Ende gut. Das hat man als Historikerin nicht oft, weswegen der Abend dementsprechend beschwingt endete.

Zuhause bei Eva durfte ich dann Katzen kuschelnd ein paar Stunden Schlaf aufholen, bevor es am nächsten Morgen direkt wieder nach Heidelberg ging.

Der zweite Tag

Nach dem anfänglichen Chaos wurde während dem ersten Sessionspot spontan eine zweite Session von Historikerinnenduo geplant, die wir vorstellten und diesmal in einem kleineren Raum (der dementsprechend voll war) halten durften. Dieses Mal ging es um Burgen und wieder war ich von der positiven Rückmeldung komplett erschlagen.

Besonderen Dank an dieser Stelle an die Menschen, die über uns getwittert haben. Sprüche wie „Ziegen sind Arschlöcher“, „Niederadel war das GZSZ des Mittelalters“ und „Niemand mag Franken“ habe ich heute noch in der Timeline und ich muss jedes Mal darüber lachen.

Ebenfalls ein Highlight war es, als jemand meinte, man komme nicht mehr mit dem twittern hinterher. Ich persönlich sehe das als eines der größten Komplimente, die man auf einem Barcamp während eines humoristischen Vortrages bekommen kann.

(Sessions, die ich am Sonntag besucht habe: Sicherheit für Blogs, Regeln brechen)

Tja und dann war das Litcamp vorbei. Das heißt, irgendwie auch nicht. Denn während die meisten nach der ersten Aufräumwelle gingen, blieb ich mit dem harten Kern der Saubermach-Mannschaft zurück und konnte für zwei weitere Stunden den Spaß, die Gespräche und die komplette Atmosphäre genießen, während wir das Litcamp in Kisten und ein sehr volles Auto packten.

Es ist ein seltsames Gefühl, wenn das Aufräumen fast mehr Spaß macht, als der Rest. Aber dadurch, dass es nun weniger Menschen waren und man im Gegenteil zum restlichen Camp auch mal wirklich längere Zeit mit denselben Leuten verbrachte, war es viel entspannter.

Zum Abschluss ging es mit ein paar sehr großartigen Menschen Pizza essen (hier das obligatorische Beweisfoto), ich wurde zur Haltestelle gebracht und dann war ich auch schon auf dem Heimweg. Im Herzen noch in Heidelberg, in der Realität in einem sehr stickigen Bus.

Fazit

Das Litcamp ist nichts für alle. Ich weiß, dass man das oft hört, aber das Camp kann wirklich sehr erdrückend sein und der schnelle Wechsel zwischen Sessions, Personengruppen und dem allgemeinen Stress hinterlässt Spuren.

Ich persönlich nehme mir fürs nächste Camp vor, mehr bei einer Personengruppe zu bleiben und nicht dauerhaft durch das Gelände zu rennen, um auch ja alle Leute zu treffen. Es sind nur zwei Tage, in denen man schon genug beansprucht wird.

Wenn also jemand nicht hin möchte, kann ich das bestens verstehen. Falls ihr jedoch überlegt, ob es etwas für euch ist und ihr euch entscheidet hinzugehen, erwartet euch ein Wochenende voller netter Menschen, neuer Erfahrung und wirklich sehr gutem Essen.

Ansonsten möchte ich mich bei denen bedanken, bis zum Ende mit aufgeräumt haben. Besonders natürlich bei Teilen des Orgateams, die ich in diesen letzten paar Stunden richtig kennenlernen durfte. Ihr habt mir nochmal gezeigt, dass es nicht nur darum geht alle Leute zu treffen, Selfies zu machen, zu netzwerken und sich von Session zu Session zu jagen.

Es geht beim Litcamp vor allem darum Spaß mit netten Menschen zu haben und sich über Themen zu unterhalten, die einen begeistern. Alles andere kommt von selbst.

Aber das ist, denke ich, etwas, was jede*r beim ersten Barcamp lernt.

 

Autor: Michelle Janßen

Michelle Janßen ist eine süddeutsche Bloggerin, Journalistin und Autorin. Sie studiert deutsche Literaturwissenschaft und Geschichte. Auf Büchnerwald bloggt sie medienkritisch über Politik, Geschichte und (online) Medien.

5 Kommentare zu „Das Literaturcamp Heidelberg 2018 – ein Rückblick“

  1. Michelle, danke für diesen tollen Beitrag!
    Es freut mich sehr, dass wir uns auch kurz gesehen habe. Gerade dein Schlussfazit werde ich mir zu Herzen nehmen, denn ich bin definitiv zu sehr rumgewuselt und dadurch habe ich leider mit vielen Leuten nicht in Ruhe plaudern können. 😥
    Auch mit dir hätte ich gerne noch viel mehr Zeit verbracht.

    Ich hoffe wir können unser Singstar Duett noch irgendwann nachholen. 🙂
    Aurelias und deine Sessions klangen großartig und ich bin sehr froh, dass eine gestreamt wurde und ich sie noch nachholen kann!

    Liebe Grüße
    Babsi

  2. Guten Abend :-),

    vielen Dank für Deinen Bericht.
    Es freut mich sehr, dass Du Dich beim LitCamp so schnell eingelebt hast. Gerade, weil du recht extrovertiert bist, hätte ich nicht gedacht, dass du groß mit Unsicherheiten zu kämpfen hast, sondern eher schnell neue Leute kennenlernst (was ja auch so war).

    Eure abendliche Burgenvorlesung habe ich im Livestream verfolgt und hab euch beiden gerne zugehört. Spanned war es vor allem, weil Du erzählst hast, dass Du Aurelia zu der Veranstaltung überreden musstest. Und ihr hat man die Nervosität überhaupt nicht angemerkt.

    Etwas schade fand ich es, dass ihr beim inoffiziellen, spontanen Nornentreffen gar nicht vollzählig wart. (Ja, meine Co-Autorin wird mich jetzt hassen, dass ich das hier erwähne 🙂 ).

    viele Grüße und wer weiß, vielleicht sehen wir uns im Juli ja wieder.

    Emma

  3. Danke für die tolle Aufarbeitung. Ich habe bisher überwiegend Artikel von Leuten gelesen, die in der einen oder anderen Session waren, ich auch besucht haben, du hast mir noch mal einen ganz anderen Einblick gegeben 🙂

    Ich kann auch so vieles nachvollziehen, was Du schreibst, wurde teilweise erdrückt und würde es trotzdem wieder tun. 🙂

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