Buchrückblicke für Wir lesen Frauen

 

Buchrückblicke für Wir lesen Frauen


In diesem Artikel geht es um die Challenge ein Jahr lang Bücher von Frauen/weiblich Gelesenen zu lesen, die von Eva-Maria Obermann ins Leben gerufen wurde. Mehr zur Challenge findet ihr in diesem Beitrag: Wir lesen Frauen – Gedanken und Literaturtipps zur Challenge.

Was ich bisher gelesen habe

1. Lest ein Sachbuch zum Thema Feminismus

Ich habe mich für „Rebellische Frauen – Women in Battle: 150 Jahre Kampf für Freiheit, Gleichheit, Schwesterlichkeit“ von Marta Breen und Jenny Jordahl entschieden. Die Norwegerinnen haben in der Graphic Novel die letzten 150 Jahre feministische Kämpfe beschrieben. Dabei liegt der Fokus auf der ganzen Welt, nicht nur im Westen – was ich toll fand. Trotzdem war viel in Buch mainstream, das heißt weiße, westliche Geschichte. Das fand ich sehr schade, da die Repräsentation der B_PoCs im Buch generell gut umgesetzt war. Es war nur zu wenig.

2. Lest ein Buch aus einer Autorinnenvereinigung

3. Lest ein Buch einer Woman of Color

Diese Aufgabe habe ich noch nicht abgeschlossen, ich arbeite jedoch daran. „Mãn“ von Kim Thúy ist, wie der Rest ihrer Bücher auch, bisher absolut großartig, bewegend und eines der wenigen Bücher, das ich auf Französisch lese. Dadurch brauche ich sehr lange, bisher ist es das aber absolut wert.

4. Lest einen Essayband einer Autorin

5. Lest das Buch einer deutschen Autorin

6. Lest das Buch einer nicht-europäischen und nicht-amerikanischen Autorin

Isabel Allendes „Paula“ half mir letzten Monat dabei, mein Spanisch wieder zu verbessern, nachdem ich es vor einiger Zeit auf Englisch schon einmal las. Das Buch ist immer wieder eine Leseempfehlung von mir. Egal auf welcher Sprache.

7. Lest ein Sachbuch von einer Autorin

Diesen Punkt verdanke ich der Abschlussarbeit. „Familie als Drama“ von Ursula Hassel beschreibt die Darstellung von Familien in Dramen.

8. Lest ein preisgekröntes Buch, das eine Frau geschrieben hat

9. Lest das Buch einer SP-Autorin

10. Lest einen Klassiker aus der Feder einer Autorin

Im Rahmen der Lesechallenge von 54 Books las ich „Kallocain“ von Karin Boyle.

11. Lest einen Gegenwartsroman einer Autorin

12. Lest die Geschichte einer trans Frau, geschrieben von einer (trans) Frau

Respekt zwischen Autor*innen in Sozialen Medien

Respekt zwischen Autor_innen in den Sozialen Medien

Respekt zwischen Autor*innen in Sozialen Medien



Tw: Antifeminismus, Kraftausdrücke


Disclaimer: Dieser Artikel wurde bereits 2017 veröffentlicht, Mitte 2018 auf dem neuen Blog veröffentlicht und nun überarbeitet und erneut veröffentlicht. Mit diesem Artikel sollen keine einzelnen Autor*innen angegriffen werden, es handelt sich um einen reinen Meinungstext zu Onlinekultur und Kritikfähigkeit.



Marketing in den sozialen Medien: Von Autor*innen – Für Autor*innen

Im 21. Jahrhundert ist das Marketing für Autor*innen abhängig von sozialen Medien. Vernetzung findet über Facebook, Blogs und Webseiten wie der Schreibnacht, Wattpad, etc. statt. Dabei nimmt Twitter zunehmend einen zentralen Punkt ein. Denn Twitter ermöglicht es Autor*innen unter anderem mithilfe von Hashtags ihre Fortschritte zu teilen – mit Kolleg*innen, Fans, Leser*innen und komplett Außenstehenden.

Kommunikation ist ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg.

Der Umgang zwischen Autor*innen auf diesen Seiten ist in der Regel freundlich, meistens kollegial und bestenfalls unterstützend. Veröffentlichungen und Gewinnspiele werden geteilt, man tauscht sich über Ideen, verrückte Lektoratsmomente und den Stress des Schreibens neben dem Alltag aus. Respekt und Höflichkeit sollten hier gegeben sein.

Schwarze Schafe

Wie das im Internet nun aber leider üblich ist, gibt es schwarze Schafe. Also Menschen, die den Umgang mit anderen Autor*innen und die Möglichkeiten, die sich ihnen bieten, nicht wertschätzen können/wollen. Das man es (gerade als Frau) oftmals mit Trollen zu tun hat, darauf stellt man sich ein, wenn man Twitter beitritt. Irgendwie gehört das ja zur gesamten Erfahrung von „Mensch im Internet“ dazu. Wenn die Respektlosigkeit und die Kommentare jedoch aus den eigenen Reihen kommen, dann beginnt man sich als Autor*in seltsam zu fühlen.

Kein Mensch ist perfekt. Jede*r macht mal Fehler, verhält sich falsch und/oder legt sich mit anderen an. Da stelle ich selbst keine Ausnahme da. Doch wenn beide Parteien erwachsen handeln, ihren Konflikt lösen und sich die „schuldige“ Person entschuldigt, um auf eine friedliche Basis zurückzukehren oder man sich fortan einfach aus dem Weg geht, ist das alles ertragbar. Das Problem liegt bei Wiederholungstäter*innen und Menschen, die ihre Fehler nicht einsehen wollen.

Respekt und Community

Ob man nun auf Webseiten respektlos gegen andere Mitglieder der Community vorgeht, beleidigende Blogeinträge über Bücher oder andere Autor*innen verfasst oder auf Twitter seine Kolleg*innen verreißt – man verhält sich falsch. Streits, die man in die sozialen Medien zieht, sagen einiges über die Person aus, die den Schritt in die Öffentlichkeit macht.

Unsicherheit und fehlende Reife zeigen sich durch Beiträge wie: „Schaut her! Diese Person/diese Feministin/diese Bitch hat mich blockiert, haha! Wie lächerlich!“ oder „Schaut her! Ich habe ein privates Gespräch mit dieser Person und teile das mit euch (ohne Zustimmung der Person), um sie ins Lächerliche zu ziehen und Zustimmung von euch zu bekommen!“ – Solches Verhalten irritiert vor allem die Menschen auf der anderen Seite, aber auch andere Kolleg*innen außerhalb.


Damit meine ich keine (!) generellen Callouts, sondern Kolleg*innen, die sich gegenseitig ihrer Bubble zum Fraß vorwerfen. Das passiert oft nach einem Callout und soll diesen nachahmen, was den Menschen jedoch kaum gelingt.


Natürlich kann man je nach Ausmaß rechtlich gegen solche Leute vorgehen, aber es geht um mehr als das. Es geht um Respekt. Um menschlichen Umgang miteinander. Besonders im Öffentlichen.

Was man darf und was man soll

Natürlich darf man die Meinung sagen. Man darf sich auch öffentlich über andere lustig machen oder einfach alle kritischen Stimmen wegblocken. Man darf so einiges.

Aber sollte man das als Autor*in ausnutzen? Die Antwort auf diese Frage kann man sich eigentlich denken. Kaum eine Berufsgruppe ist so auf die eigene Reputation und die Kolleg*innen in den Sozialen Medien angewiesen, wie Autor*innen. Erlaubt man sich deshalb einen Fehler, so ist die Reaktion, wenn man darauf angesprochen wird, entscheidend für die eigene Karriere.

„Alle sind gegen mich und verschwören sich/drohen mir damit, meine Bücher nicht mit zu promoten“ ist eine sehr schwache Reaktion auf die eigenen Fehler. Denn natürlich wird niemand mehr Marketingtweets der Person verbreiten, die sich in der Autor*innenenwelt einen gewissen Ruf erarbeitet hat. Natürlich möchte niemand mehr mit so jemandem zusammenarbeiten.

Man ist auf sich gestellt und erfährt am eigenen Leib, dass es kaum Wichtigeres gibt, als andere Autor*innen, für das Marketing auf Twitter, Facebook und co. Dabei geht es nicht um eine persönliche Vendetta sondern darum, dass niemand mit der Person verknüpft werden will, die Kolleg*innen bloßstellt und respektlos um sich schlägt.

Folgen derer man sich bewusst sein muss

Man kann als Autor*in also Kolleg*innen beleidigen, sich über sie lustig machen, Informationen ohne Zustimmung der Menschen verbreiten und öffentlich gegen Werte eintreten, die von vielen Autor*innen vertreten werden. Man kann versuchen Aufmerksamkeit durch blanke Provokation zu erreichen. Man kann seinen Kolleg*innen permanent aufstoßen und passiv-aggressiv auf alles reagieren.

Will man als Autor*in jedoch jemals eine richtige Plattform in den sozialen Medien aufbauen und von anderen unterstützt und respektiert werden, so sollte man anfangen die Schuld bei sich selbst, statt bei anderen zu suchen. Dazu gehört es auch, sich richtig zu entschuldigen, die kritischen Stimmen zu entblocken und hoffen, dass all die Menschen, die man im Zuge seiner Fehler verletzt und getroffen hat, willig sind, einem eine zweite Chance zu geben.

Vergessene Klassiker – Wo sind all die Frauen hin?

Vergessene Klassiker

Vergessene Klassiker

Wo sind all die Frauen hin?


Disclaimer: Aufgrund von den Problem der fehlenden Recherchemöglichkeiten zum Thema, wird im Hauptteil des Artikels von cis Frauen und cis Männern gesprochen.


Starke Frauenfiguren sind eine Seltenheit, wenn man sich mit Literatur in den letzten Jahrhunderten, nein Jahrtausenden auseinandersetzt. Das Genre der Frau wird ignoriert und zur Nischenliteratur verdammt. Auch bei Klassikern.

Das Frauenbild in der westlichen Literatur

Es wird Zeit, dass wir die ‚Götter‘ der deutschen Literatur als das betrachten, was sie sind: cis Männer.

Ich glaube nicht, dass man Goethe, Schiller, Hölderlin, Heine, Büchner, Brecht, Mann oder Frisch ihren Status als Klassiker aberkennen muss. Im Gegenteil, als Germanistikstudentin bieten diese Autoren sehr viel. Besonders Mann, der in vielen seiner Kurzgeschichten, weibliche Sexualität automatischer Prostitution gleichstellt (Gefallen) oder Goethe, dessen Frauenfiguren oftmals neutral oder sogar oft „feministisch“ gesehen werden (Iphigenie auf Tauris) machen richtig Spaß, wenn man denn frei kritisieren darf.

Kann es ein feministisches Literaturstudium geben?

Oftmals wird einem dann jedoch gesagt, dass man sich ein ‚richtiges‘ Thema suchen soll. Frauen und ihre Rechte zählen da ja nicht. Ein Dozent von mir meinte einmal, dass ich sowohl meckern würde, wenn Frauen schlecht dargestellt werden, als auch wenn sie gar nicht vorkommen – man könne es mir nicht recht machen. Die Vorstellung einer weiblichen Rolle ohne Abwertung schien in seinem Kopf unmöglich.

Aber darum geht es den feministischen Germanist*innen auch gar nicht. Die Anerkennung von Missständen in klassischen Werken ist, worauf wir hinaus wollen. Iphigenie ist keine Feministin, weil sie die Macht über das Schicksal der Männer hat. Sie hat trotzdem keine originellen Gedanken und handelt nach den geforderten Frauenvorstellungen der Zeit: Nett, Streit-schlichtend und absolut unoriginell. Oh und sie muss natürlich fabelhaft und wunderschön sein, sonst ist das ja gar keine richtige Frau.

Ähnlich verhält es sich in der Geschichte. Die Göttinnen der Antike sind zwar machtvoll, müssen aber wunderschön sein und stehen tadelnd daneben, während ihre Männer Affairen haben. Wo ist die Aufarbeitung davon? Und der beständigen Vergewaltigungen? Zeus nimmt sich die Frauen wie er will und seine Frau bestraft dann die Opfer. Und das soll man als Literaturstudent*in/Geschichtsstudent*in dann einfach so hinnehmen, weil es halt so niedergeschrieben wurde.

Mythen und Klassiker feministisch zu untersuchen und kritisieren lohnt sich, wird jedoch nicht entlohnt. Arbeiten zu den Themen werden kritisch begutachtet und auf ihre Relevanz geprüft. Was bleibt ist der Mythos und die Werke – ihre Aufarbeitung aus feministischer Sicht verwischt und muss immer wieder von Forme begonnen werden. Die Personen hinter der Kritik müssen ertragen, dass ihre Arbeiten für unwichtig gehalten werden. Denn was soll es schon, wenn Brecht Fleißers Leben quasi zerstörte? Er hat halt gut geschrieben. Das Frauen große Teile seiner Arbeiten verfassten und er viel von (britischen) Autor*innen stahl ist für die Literaturwissenschaft irrelevant. Sie mögen ihn trotzdem.

Gleichzeitig kommen Verlage immer wieder damit durch, Fachliteratur und Literaturgeschichten, in denen eine Frau vorkommt (wenn überhaupt) zu verlegen und bewerben. Wie kann das ernstzunehmende Literaturwissenschaft sein, wenn ein komplettes Geschlecht herausradiert wird?

Wie soll sich das ändern, wenn wir nur Männer lesen?

Die Art, wie wir Frauenbilder und feministische Literaturwissenschaft sehen, leitet sich direkt davon ab, wen wir lesen und rezipieren. Männer wie Brecht und Mann und Goethe erscheinen weniger schlimm, wenn man sich sagen kann, dass es damals halt nur Menschen wie sie gab. Nur Autoren. Nur diese Art der Literatur.

Wieso lesen wir eigentlich nur Männer? Weil es keine Autorinnen gab, denkt man sich jetzt vielleicht. Aber das stimmt nicht. Natürlich gab es Autorinnen in jeder dieser Zeitabschnitte. Wenige zwar, aber sie waren da. Sollte das nicht Grund sein, diese wenigen Frauen richtig zu betrachten, statt sie zu ignorieren? Sollte das nicht mehr wert sein als ein Seminar namens „Frauen von der Antike zur Moderne“ in der 11 Werke kurz angeschnitten werden?

An dieser Stelle ein Literaturtipp: Therese von Artner (1772-1892) brachte sich selbst Italienisch bei, las in ihrer Freizeit Klopstock und Voltaire und übernahm nach dem Tod ihrer Mutter mit 24 Jahren den kompletten Haushalt, die Erziehung ihrer drei jüngeren Schwestern, die Pflege des Vaters und alle finanziellen Angelegenheiten. Sie veröffentlichte mit einer Freundin unter einem geschlechtsneutralen Pseudonym erste Gedichte in Jena, reiste mit 31 nach Freiburg, lies sich von Friedrich Jacobi (einem sehr einflussreichen Schriftsteller und Juristen) sponsern und nutze ihre Freundschaften zu anderen Frauen um zu reisen. Sie heiratete nie. Ihr wird Homosexualität nachgesagt, da ihre Freundinnen ihr immer wichtiger waren, als Männer (wenn Frauen Männer nicht heiraten, muss natürlich etwas dahinter stecken).

Diese Frau lebte zur Zeit der Weimarer Klassik und Romantik. Sie veröffentlichte dauerhaft mit einem der einflussreichsten Schriftsteller der Zeit zusammen in einer der Hochburgen der Weimarer Klassik und der Hochburg der Frühromantik: Jena. Was lernt man über sie? Nichts. Wie sollen Kinder in der Schule lernen, dass Frauen ebenfals geschrieben haben und für sich existierten, wenn ihnen solche Vorbilder vorenthalten werden?

Lest Frauen nicht nur, macht sie zum Kanon

Aufrufe mehr Frauen zu lesen wären unnötig, wenn wir alle von Anfang mehr über Frauen in der Literatur gelernt hätten. Frauen können es nämlich nicht genau so gut wie Männer, sie können es besser, weil sie zusätzlich zum Schreiben noch dem dauerhaften Sexismus trotzen müssen. 

Es ist Zeit, nicht mehr nur Frauen (auch trans Frauen) zu lesen, sondern sie zum aktiven Kanon zu machen. Auch nichtbinäre Autor*innen sollen endlich eine Stimme bekommen. Wie sonst lassen sich endlich die Stigmen brechen, dass Frauen nicht auch geschrieben haben? In Schulen und Universitäten muss es mehr Angebote zum weiblichen Schreiben geben, mehr Information, mehr Kanonisierung, mehr Literaturgeschichten mit Frauen in ihnen. Nicht mehr nur Einzelbeispiele, Sonderstunden und Seminare, die alle Schriftstellerinnen seit der Antike auf einmal bewältigen.

Umbrüche, neue Identitäten und Revolutionen – Eine kleine Literaturgeschichte II

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Umbrüche, neue Identitäten und Revolutionen – Eine kleine Literaturgeschichte II

1786 – 1848


Wiederholung und die Französische Revolution – was musste geschehen, um die Klassik und die Romantik zu ermöglichen?

Im ersten Teil dieser kleinen Literaturgeschichte wurde das 18. Jahrhundert in einzelne Strömungen heruntergebrochen, die sich allesamt zur Aufklärung zählen lassen oder zumindest daraus entsprangen.

Die deutsche Literaturlandschaft wurde ab den 1720er zu einer moralischen Zone, in der sich Vernunftbegeisterung mit neuen Regelung vereinte. Die beiden Strömungen (im ersten Teil zu Gellerts Morallehre und Lessings neuer Dramenpoesie vereinfacht) standen der Empfindsamkeit unter La Roche und Klopstock gegenüber. Aus diesem Zwiespalt entwuchs der Sturm und Drang. Gleichzeitig brachte Winckelmann den Klassizismus nach Deutschland, der wenig später von Teilen der Sturm und Drang Bewegung (vor allem Goethe und Schiller) übernommen wurde.

Ein Einschnitt in die deutschsprachige Kulturszene stand ab Mitte der 1786er kurz bevor. Frankreich, Nachbarland und zu diesem Zeitpunkt kulturelles Epizentrum der Aufklärung, sowie Paradebeispiel für moderne Literatur und Philosophie, haderte bereits seit Anfang des Jahrhunderts mit dem Absolutismus. In den Jahren vor der Französischen Revolution 1789 zeigen sich bereits erste Änderungen, die auch im damals noch in verschiedene Machtbereiche zerteilten Deutschland zu spüren waren.

Literat*innen im ganzen deutschsprachigen Bereich wurden auf die politischen Umbrüche aufmerksam. Die Stimmung war ambivalent, stand die Französische Revolution in ihrer Anfangsphase (bis 1791) doch vor allem für Freiheit, aber eben auch gegen alte Machtstrukturen. Etwas, dass deutsche Politiker*innen und Literat*innen, die fast ausschließlich einer höhergestellten Gesellschaftsschicht angehörten, nicht unbedingt gefallen wollte.

Die gewaltsamen und diktatorischen Züge, die die Revolution in den Folgejahren annahm beschäftige wohl jeden, der im damaligen Deutschland literarisch und/oder politisch gebildet war. Als Ausgleich wurde die Flucht in den Süden und die Altertumskunde unternommen. Sie wurde zum Nährboden für die Weimarer Klassik.

Mit dem Enden der Französische Revolution begann auch das Aufatmen der Deutschen. Diese hatten über 10 Jahre hinweg beobachten müssen, wie sich ein Land direkt neben ihnen, welches dazu üblicherweise als Vorbild in literarischen und philosophischen Dingen galt, selbst zerstörte. Die Jahrhundertwende brachte frischen Wind und einen Umbruch für die neue Generation der Dichter*innen, von denen viele nicht wussten, zu welcher Strömung sie nun gehörten. Diese Ungewissheit, die mit Napoleons Auf- und Abstieg wenig später nur noch verstärkt wurde, wurde zum Antrieb und Aushängeschild der (Früh)Romantiker.

Die Weimarer Klassik – eine Freundschaft wird zur Epoche

Die Weimarer Klassik wird gerne an Goethes Italienreise und seiner Freundschaft zu Dichterkollegen Friedrich Schiller festgemacht. Das sogenannte ‚Viergestirn‘, welches aus eben jenen beiden, sowie Johann Gottfried von Herder und Christoph Martin Wieland, bestand, machte den literarischen Kern dieser Bewegung aus.

Goethe als Auslöser dieser Literaturepoche ist jedoch in mehrerer Hinsicht fragwürdig. Seine Krise als Minister am Hof der Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach und ihrem Sohn Carl August, für den sie lange Zeit mitregierte, dauerte zum Zeitpunkt der berühmten Italienreise schon beinahe 10 Jahre. Frustration aus der (mehr oder minder) unerwiderten Liebe zu Charlotte von Stein, einer lange andauernden Schreibblockade und seinem politischen Schaffen in einer Zeit, die kurz vor einem der größten Umbrüche der Neuzeit stand, führten ihn in den Süden. Was oft als Flucht beschrieben wird, war tatsächlich Frucht einer langwierigen Planung. Seine Abwesenheit vom Hof wurde nur gewährt, wenn er dafür gewisse Leistungen erbrachte. Eine Abmachung, die Goethe auf mehreren Ebenen brach, was ihm von der Geduldigen Anna Amalia und dem Rest des Hofes jedoch immer wieder verziehen wurde.

Klassizismus wie er von Winckelmann in die deutsche Literaturkultur eingeführt wurde, brachte die Antike zurück in aller Munde – obschon es zu Hinterfragen gilt, ob sie jemals aufhörte, zentraler Bestandteil der Literatur (in Deutschland) zu sein. Was sich tatsächlich veränderte war die Art und Weise, wie über die Antike gesprochen wurde.

Statt einer reinen Rezeption antiker Dichtungen fand eine Erhöhung des antiken ‚Lebensgefühls‘ statt. Kunst, Architektur, Literatur und eben jenes Lebensgefühl sollten emuliert und in die moderne Denkweise übertragen werden. Dies geschah zum einen durch Übersetzungen und Rezeption bei Herder und Wieland, auf besondere Art und Weise jedoch bei Schiller und Goethe.

Der Grund, warum die Freundschaft der beiden Schriftsteller als eigene kleine Weimarer Klassik gesehen werden kann, ist, da sie die Umsetzung von Winckelmanns Forderungen mit einem gewissen Humor annahmen. Zwischen den ernsten theoretischen Schriften Schillers und der Iphigenie Goethes ging es beiden um mehr, als das. Sie brachten das Lebensgefühl ins später 18. Jahrhundert, in dem sie die lockere Sichtweise auf Dinge, die der Antike zugesprochen wurde, für sich übernahmen und den Literaturkanon der Zeit mit ironischen Bemerkungen und üblen Verrissen traditioneller SchriftstellerInnen aufmischten.

Einer der Schriftsteller*innen, der sich in dem Umbruch zur Klassik unwohl fühlte, war Gottfried August Bürger. Die polemische Art und Weise, wie Goethe und Schiller sich über den Literaturtrieb lustig machten (man denke nur an Schillers Zeitschrift Die Horen (1795–1797) oder die Antwort der beiden auf Kritik an eben dieser Zeitschrift in den Xenien (1796)) missfiel ihm und anderen Autor*innen. Als ehemaliger Autor des Sturm und Drang gehörte Bürger zu jenen, mit denen Goethe recht harsch den Kontakt abbrach. Er entwickelte sich eher in die moralisierende Richtung, statt in die experimentell-klassizistische.

Bürger war als Dichter unter dem Volk sehr beliebt, konnte im kollegialen Umfeld jedoch nicht viel beisteuern. Das offene Geheimnis um das Zusammenleben mit seiner Frau und ihrer Schwester, sowie seiner sonstigen sexuellen Eskapaden half seiner Reputation auch nur dahingehend weiter, als dass sich die üblichen Verrisse seiner Veröffentlichungen nun auch auf sein Liebesleben bezogen. Den Umgangston musste er sich, ironischerweise, gefallen lassen. Ironischerweise deshalb, da die Kritiker*innen oft ebenfalls skandalös lebten, es jedoch besser versteckten oder – in Goethes Fall – sogar vermarkteten.

Die Strömungen nach 1815 – Biedermeiner, Hochromantik und Revolution

Die Weimarer Klassik endete für viele Anfang des 19. Jahrhunderts mit dem Tod Schillers, spätestens aber mit Goethes Ableben 1832. Napoleons Einfluss auf Deutschland, sowie die Eingliederung Preußens in den Deutschen Bund 1815 veränderten die Art und Weise, wie Deutsche sich selbst sahen. Die Restaurationspolitik griff um sich und der politische Vormärz begann. Es entstand eine Identitätskrise, die die RomantikerInnen zu lösen versuchten.

Pathetische Beschreibungen von Leben und Tod, wie sie etwa Georg Philipp Friedrich von Hardenberg aka. Novalis vornahm, Romane, die die eigene Position im Literaturtrieb reflektierten, theoretische Schriften zum Erhabenen und der Kulturpolitik im deutschen Sprachraum (besonders gut bei den Schlegelbrüdern Friedrich und August Wilhelm zu beobachten) bildeten einen Ausgangspunkt für die Hochromantik. Diese macht es sich dann zur Aufgabe gegen den Klassizismus zu rebellieren (ein generelles Phänomen der Romantik) in dem sie eine neue deutsche Identität zu schaffen suchte, die sich nicht von französischen und italienischen Einflüssen abhängig macht.

Die Idee war es, das Mittelalter als deutsche Hochzeit zu stilisieren und mit großflächig erfundenen Sagen (wie Clemens Brentanos Lorelay) einen Wohlfühl-Ort für frühe deutsche Nationalist*innen zu erschaffen. Mit diesem künstlich kreierten Kulturerbe sollten es deutsche Literat*innen nicht mehr länger nötig haben, sich auf ausländische Kulturen zu berufen. Die Ironie eine Sirene, ein antikes Symbolbild der Verführung, als deutsches Kulturerbe zu nutzen, war auch für Zeitgenossen ein wichtiger Kritikpunkt. Ein weiterer war die versuchte Einführung einer einheitlichen Sprache durch die Grimms, da sie Dialekte und Soziolekte innerhalb Deutschlands vom Literaturtrieb ausschlossen.

Die Romantik teilte sich in mehrere Phasen auf und war teils stark Ortsgebunden. Als Hauptvertreter*innen lassen sich jedoch Novalis, die Schlegels, die Grimms, Joseph von Eichendorff, Ludwig Tieck, Goethe und Brentano, sowie Bettina und Achim von Arnim und Karoline von Günderrode nennen. Der große Umfang der Vertreter*innen lässt bereits darauf schließen, dass es nicht die eine Romantik gab. Die Romantiker*innen waren so zersplittert, wie der Rest der Literaturszene auch.

Heinrich Heine und Heinrich von Kleist sind zwei Autoren, an denen sich die Ungewissheit der Zeit gut darstellen lässt. Neben der Romantik als Hauptströmung existierten Anfang des 19. Jahrhunderts noch die Ausläufer der Weimarer Klassik und die Weiterentwicklung der moralisch-traditionellen Literatur: den Biedermeier, der von Autor*innen wie Annette von Droste-Hülshoff und Franz Grillparzer angeführt wurde. Dazu kamen ab 1825 das Junge Deutschland mit Heinrich Laube und Theodor Mundt, sowie der Vormärz unter Georg Büchner, Louise Aston und Annette von Droste-Hülshoff (sie stand literarisch ebenfalls zwischen den Stühlen), die auf die Revolutions-Stimmung eingingen und für liberale Politik und Emanzipation kämpften.

Heine wird oft zwischen Romantik und Jungem Deutschland verortet, da er als junger Dichter zwar Teil der romantischen Strömung war, sich jedoch eher über die Romantik lustig machte. Zudem sind seine romantischen Schriften in der Rezeption zwar bekannt, für ihn jedoch nicht weiter bedeutend, wenn man sich sein Lebenswerk als Dichter des Jungen Deutschland und Vormärz ansieht.

Kleist dagegen war sich selbst nie so ganz sicher, wozu er überhaupt gehören wollte. Als Außenseiter im Literaturtrieb hatte er sein ganzes Leben lang mit finanziellen und persönlichen Problemen zu kämpfen. Die zahlreichen negativen Rezensionen seiner Werke und die Ablehnung Goethes, sowie der beständiger Wechsel seines Hauptberufes trugen stark dazu bei. Er wird zwischen Weimarer Klassik und Romantik verortet, gehörte jedoch keiner der beiden Strömungen jemals wirklich an.

Die Rebell*innen des 19. Jahrhunderts, also die AnhängerInnen des Jungen Deutschlands und Vormärz, gewannen gegen Ende der Romantik immer mehr an Zuspruch. Statt die neue Identität auszubauen, wollten sie politischen Wandel und Moderne. Vieler ihre Ideen und Ideale übernahmen sie von der Julirevolution 1830 in Frankreich, bei der die letzten Überbleibsel der Bourbonen, sowie der reaktionären Politik von König Karl X. in Frankreich gestürzt wurden und die erneute Machtergreifung des Bürgertums in einem liberalen Königreich endete. Der Novemberaufstand von Polen gegenüber Russland 1830/1831, auch Kadettenaufstand genannt, übte ebenfalls Einfluss aus.

Die Karlsbader Beschlüsse von 1819 wurden aufgestellt, um revolutionäre Freiheitsbewegungen einzuschränken, die besonders in studentischen Burschenschaften aufkeimten. Studierenden, darunter viele Literat*innen, versuchten demokratische Grundsätze durchzusetzen. 1832 veranstalteten sie das Hambacher Fest, 1833 scheiterte eine deutschlandweite Revolution beim Frankfurter Wachensturm. Über fast ein halbes Jahrhundert hinweg entwickelte sich aus den Beschlüssen genau das, was eigentlich verhindert werden sollte: eine liberale, nationalistische Revolution. Diese wuchs dank Pauperismus, Weberaufstand, zunehmend schlechteren Ernten und weiteren Problemen an, bis sie schließlich zur 48er Revolution, also zur Märzrevolution wurde

Ausblick – die Revolution ist gescheitert, was kommt jetzt?

Nach den ernüchternden Ergebnissen der Revolution setzte der Realismus ein. Sowohl im Alltag, als auch in der Literatur. Realismus und Naturalismus bilden bis zur Jahrhundertwende die bestimmenden Grundpfeiler der Literatur. Es dauert ein halbes Jahrhundert, bis der Expressionismus die klaren, geregelten Ausdrucksformeln durchbricht.