Triggerwarnungen in Büchern

triggerwarnungen in büchern

Triggerwarnungen in Büchern


TW: Gängige Trigger-Nennungen (nur per Name, keine tatsächlich triggernden Inhalte)


Disclaimer: Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Artikel, der im Dezember 2017 erstmals veröffentlicht wurde. Der Text wurde umgeschrieben, um aktuellen Themen besser zu entsprechen.

Ich bin eine Person die Triggerwarnungen benötigt und sich generell für sie ausspricht. Meine Meinung wird diesen Artikel dementsprechend beeinflussen.


Dieser Beitrag sollte nie eine Anklage sein. Ich hoffe, das es Leser*innen dieses Blogs mittlerweile bewusst ist, dass ich niemanden direkt angreifen möchte. Ziel dieses Artikels ist es nicht, ein Streitgespräch anzufeuern, sondern vielmehr Argumente zu bringen, die man annehmen kann oder nicht.

Generell kann nämlich jede*r Autor*in für sich selbst entscheiden, ob er/sie/nb vor Triggern warnen möchte oder nicht. Persönlich denke ich, dass die Personen, die Trigger nicht benennen wollen, gewisse Stereotype und Ängste haben. Auf einige davon will ich versuchen, eine Antwort zu finden.

Die Basics: Was ist ein Trigger?

Generell gesprochen ist ein Trigger etwas, was eine starke Emotion oder Erinnerung in Menschen hervorrufen kann. Dies kann kontrolliert geschehen (etwa, wenn sich die Person dem mit Absicht entgegenstellt) oder unkontrolliert (wenn die Person ohne Vorwarnung damit konfrontiert wird). Trigger können Geräusche, Gerüche, Personen, Themen, Dinge, Wörter und noch viel mehr sein. Es gibt keine feste Vorlage, was ein Trigger sein muss. Sie können beispielsweise auch positiv sein. Wenn man in einer Menschenmasse auf einmal ein Parfüm riecht, das einen an die Kindheit oder jemanden aus der Vergangenheit erinnert. Das kann schön sein.

Das Problem ist, wenn es nicht schön ist. Solche Trigger tauchen bei Personen auf, die Traumatisches erlebt haben. Sexuelle Gewalt, Tierquälerei, Mobbing (zum Beispiel Fatshaming oder Homophobie) und mentale Krankheiten (wie Essstörungen, Phobien oder problematische Therapien) sind häufige Gründe für negative Trigger.

Erstes Vorurteil: Alles kann ein Trigger sein

Als Argument gegen Triggerwarnungen wird oft gesagt, dass ja alles ein Trigger sein kann. Das ist generell korrekt. Wie oben bereits beschrieben gibt es jedoch Abstufungen von Triggern. Das bedeutet nicht, dass man deshalb keine setzen soll. Denn auch wenn es faktisch unmöglich ist, jeden existierenden Trigger zu benennen, so sind die größten bekannt. Gibt man diese an, so sorgt man dafür, dass der Großteil der eignen Leser*innen sicher vor Triggern ist. Das ist ein ziemlich gutes Ergebnis, finde ich.

Sollte man später in einer Unterhaltung mitbekommen, dass Menschen, mit denen man  häufiger in Austausch tritt, besondere Trigger haben, dann gibt man diese an. Weil man eben weiß, worauf man zu achten hat.

Zweites Vorurteil: Trigger haben nur ‚Sensibelchen‘

Abgesehen davon, dass nichts falsch daran ist, ein sensibler Mensch zu sein, ist dieses Vorurteil komplett falsch. Ich bin mir ziemlich sicher, dass jeder Mensch Trigger hat. Positive und negative.

Ob das nun Alzheimer ist, weil jemand aus der Familie betroffen ist oder ein eigentlich unschuldiges Thema, womit man schlechte, persönliche Erinnerungen knüpft – sie sind da. Es kann sein, dass man sich selbst antrainiert hat, auf so was nicht zu reagieren. Das liegt oft daran, dass man nicht schwach erscheinen will oder nicht versteht, wieso einen dieses Thema stört.

Wie man mit den eigenen Triggern umgeht, ist grundsätzlich Sache der eigenen Grenzen. Nur weil Person A auf Trigger nicht (aktiv) reagiert und keine Warnungen (mehr) benötigt, darf man das nicht von Person B erwarten. Menschen verarbeiten Trauma und negative Gefühle immer unterschiedlich. Daran ist nichts verwerflich.


Exkurs: Es gibt Trigger, die als ’schlimmer‘ betrachtet werden, als andere. Entweder weil mehr Menschen betroffen sind oder weil sie von Außenstehenden ohne Trauma (!) so eingestuft werden. Wer sich über andere Traumatisierte stellt oder versucht innerhalb dieser Menschengruppen eine Hierarchie zu erstellen, der hat das Prinzip nicht verstanden. Trauma ist Trauma. Respektiert bitte alle Trigger, sofern ihr von ihnen wisst.


Drittes Vorurteil: Wenn ich das mache, spoilere ich

Gerade bei Autor*innen kommt dieser Spruch immer wieder. Dabei ist es eigentlich sehr einfach, nicht zu spoilern und trotzdem zu warnen. Ich spreche vor jedem meiner Artikel eine TW aus und bin mir ziemlich sicher, dass man davon nicht ableiten kann, was genau ich schreibe. Leute lesen die Artikel trotzdem. Warum sollte das bei Büchern anders sein?

Menschen die Triggerwarnungen benötigen werden euer Buch übrigens trotzdem lesen. Vielleicht sogar eher, als wenn ihr keine gemacht hättet. Weil man sich dann sicher sein kann, dass die eigenen Trigger nicht vorkommen oder weil man dann vorbereitet ist. Trigger haben die Macht, die sie haben, weil sie oft ohne Warnung kommen. Weiß man, worauf man sich einstellen muss, dann geht man gefestigt in die Leseerfahrung.

Zudem kaufen Leser*innen doch nicht nur Bücher, um das betreffende Thema anzulesen. Sie stützen euch, mögen euren Schreibstil und folgen den Figuren. Ein Buch ist mehr als nur seine problematischen Teile. Falls ihr mit etwas wie einer Vergewaltigung ’schocken‘ wollt, dann packt die TW ans Ende des Buchs und gebt vorne einen Hinweis, wo sie zu finden ist. (Ganz davon abgesehen, dass Trauma als Schockeffekt immer problematisch ist und nicht in dieser Art genutzt werden sollte.)

Viertes Vorurteil: Triggerwarnungen sind Zensur

Bei diesem ‚Argument‘ verdreht sich mir alles. Denn Menschen, die das sagen, schreiben und/oder denken, wissen einfach nicht, was Zensur ist. Bei problematischen Inhalten unterscheidet man zwischen Zensur, Indizierung und der Möglichkeit zur Selbstkontrolle (wie etwa USK bei Spielen und FSK bei Filmen).

Zensur ist, wenn Inhalte verändert werden. Dies geschieht entweder durch eine übergeordnete Machtposition (wie der Staat oder das Medium, in dem man etwas veröffentlichen möchte) oder durch einen selbst (z. B. aufgrund von negativem Backlash (Selbstzensur)). Zensur kann unterschiedliche Gründe haben. Anstößige Inhalte (wie explizite Sexualität, problematische Sprache und Gewalt) werden oft zensiert, um Menschen zu schützen. Dabei wird von einer dritten Instanz entschieden, was angemessen ist und was nicht. Zensur kann aber auch staatlich erfolgen, um Aktivist*innen ihre Stimme/Plattform zu nehmen oder die Freiheit von Menschen einzuengen. Daher ist Zensur auch immer angreifbar und das ist auch gut so.

Indizierung ist ein Schritt über der Zensur. Hier werden Dinge aktiv verboten, aus dem Handel genommen, nicht ausgestrahlt oder (im Falle von Internetseiten) nicht erreichbar gemacht. Auch hier kann man Kritik üben, da Indizierung nicht nur bei Videospielen, die als zu brutal eingestuft wurden passiert, sondern auch politisch eingesetzt wird.

Beides, Zensur und Indizierung, verhindern, dass Menschen etwas lesen, sehen, nutzen oder anderweitig konsumieren, weil eine dritte Instanz für Menschen entschieden hat, dass sie es nicht dürfen oder es nicht angemessen ist.

Mittel zur Selbstkontrolle sind nicht das. Sie sind ein freiwilliges (!) Angebot, zum Schutz von Menschengruppen wie Minderjährigen oder eben Personen die Trigger benötigen. Sie zeigen an, wenn eine Serie explizite Sexszenen beinhaltet, ein Spiel Gewalt verherrlicht oder in einem Film über Inhalte wie die NS-Zeit oder Tierquälerei gesprochen wird. Genau das sind Triggerwarnungen. Eine Angabe zur freiwilligen Selbstkontrolle.

Fazit

Das Leben ist voller Triggerwarnungen. Sie sind überall. Vor Filmen, Videospielen und in der Beschreibung von Netflixserien. Auch bei Fanfiktions ist es absolut normal, dass man Triggerwarnungen angibt. Andere Medien entdecken Triggerwarnungen für sich, wieso also nicht auch Bücher und Blogs? Wie man sie platziert (ob als Pop-Up, Warnung vor dem Text, hinten im Buch oder auf einer gesonderten Webseite) ist dabei nicht wichtig. Sie sollten nur eben für alle aufzufinden sein.

Solltet ihr euch für Triggerwarnungen entscheiden, dann schadet ihr damit niemandem. Alle, die es nicht betrifft, scrolle drüber oder blättern weiter. Ihr zeigt damit aber Respekt vor Menschen, die von gängigen Traumata betroffen sind. Das ist sehr viel wert, finde ich.

Ein Artikel zum Thema von meiner Kollegin Nora Bendzko