Theoriebesprechung von Friedrich Schiller: Das Erhabene

Das Erhabene

Theoriebesprechung von Friedrich Schiller: Das Erhabene (1801)


Im Folgenden wird, sofern nicht explizit anders gekennzeichnet, zitiert aus dem Kapitel Ueber das Erhabene in: Friedrich Schiller: Vom Pathetischen und Erhabenen. Schriften zur Dramentheorie. Hrsg. von Klaus L. Berghahn. Stuttgart 2009. S. 99-117.


Ueber das Erhabene erschien 1801 als Essay in dem Band Kleinere prosaische Schriften und schließt sich thematisch an Schillers Aufsätze Vom Erhabenen und Ueber das Pathetische an. In diesen Schriften setzt sich Schiller mit den Ideen Kants bezüglich des Erhabenen auseinander und setzt sie in Verbindung mit den Abhandlungen Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen und Ueber das Pathetische, indem er die Schriften zusammen publiziert. Der so erstandene Zusammenhang ist bei der Rezeption der theoretischen Texte zu beachten.

Was ist das Erhabene? Schillers Menschenbild

Vorab kurz dazu, was das Erhabene eigentlich ist – sofern man das denn feststecken kann. Denn das Erhabene wird von jedem/jeder Theoretiker*in neu definiert. Generell beschreibt das Erhabene alles, was wir als Menschen nicht (er)fassen können. Wenn wir etwa in der Natur sind und ihre Schönheit uns überwältigt oder wir unsere eigene Sterblichkeit und Ohnmacht durch etwas erfahren, wenn Naturgewalten wüten oder auch, wenn religiöse Menschen über Gott nachdenken. Was genau hat das mit Literatur zu tun? Bei Kant ist das Erhabene von dem Schönen und der Kunst abgekoppelt, bei Schiller jedoch nicht. Er schreibt der Kunst eine wichtige Rolle zu.

Um eine Basis für die folgenden Theorien zu schaffen definiert Schiller auf den ersten Seiten des Essays sein Menschenbild.

„[D]er Mensch ist das Wesen, welches will“ (S. 99)

So lautet die These, welche er noch auf derselben Seite erläutert. Der Mensch ist ein Wesen, wessen Prärogativ es ist, dass er mit dem gegebenen freien Willen und seinem Bewusstsein vernünftig handelt. Gewalt, hier als alles definiert, was gegen den Willen des Menschen geschieht, nimmt ihm dementsprechend die Menschlichkeit ab. Die Natur determiniert alles in und um sie herum, so auch den Menschen. Dieser hat sich im Rahmen der Evolution und technischen Fortschritts immer weiter ihrer Kontrolle entzogen und ist ihr in fast allen Fällen voraus. Nur der Tod, als letzte unumgehbare Komponente eines jeden menschlichen Lebens, bleibt bestehend.

Der Weg zur Freiheit

Folgt man Schillers Argumentation, so kommt man zu der Konklusion, dass ein jeder Mensch, so lange er dem Tod nicht entrinnen kann, nicht über freien Willen verfügt und somit seine Menschlichkeit abgesprochen bekommt. Schiller bietet zwei Lösungswege um der Gewalt zu entgehen:

Entweder r e a l i s t i s c h, wenn der Mensch der Gewalt Gewalt entgegensetzt, wenn er als Natur die Natur beherrschet; oder i d e a l i s t i s c h, wenn er aus der Natur heraustritt und so; in Rücksicht auf sich, den Begriff der Gewalt vernichtet. [sic] (S. 100)

Für diese beiden Möglichkeiten schreibt er dem Menschen zweierlei Kulturen zu, eine physische und eine moralische. Die physische Kultur soll dem Menschen durch Weiterbildung der sinnlichen Kräfte ermöglichen, die Natur bis zu einem gewissen Punkt zu kontrollieren. Da dieser Punkt spätestens beim Tod erreicht ist, braucht man die moralische Kultur. Sie soll uns dabei helfen zu begreifen, dass der einzige Weg aus der Beherrschung durch die Natur darin liegt, uns ihr zu unterwerfen.

Was im ersten Moment nach einem Widerspruch klingt, ergibt im Kontext mehr Sinn. In dem Menschen, spezifischer moralisch gebildete Menschen, welche die Fähigkeit dazu besitzen, die Punkte, an denen wir die Natur nicht kontrollieren können, als solche Annehmen und uns mit dem, was sie uns antut einverstanden erklären, ist es keine Gewalt mehr. Alles was von diesem Moment an folgt, was vorher ein Akt gegen unseren Willen war, fügt sich nun in unseren Willen ein. Damit ist in keiner Weise gemeint, dass man den Tod akzeptieren oder erwarten soll, wie es im Barock oft Thematik war, sondern dass man lediglich der Natur vorgreift, in dem man ihre Entscheidungen zu den eigenen macht.

Um dies zu verstehen und umzusetzen benötigt man, so Schiller, einen stärkeren Willen und mehr Klarheit, als es im restlichen Leben eines Menschen der Fall ist. Für das Erreichen dieser Qualitäten reicht es nicht aus, die moralische Seite von uns zu bilden. Wir müssen an die ästhetische Tendenz in unserem sinnlichen, physischen Wesen appellieren. Wie man aus der begrifflichen Einteilung durch Kant bereits erahnen kann, wird diese physische Seite von der Schönheit, die moralische von dem Erhabenen ausgebildet.

Die Schönheit und das Erhabene

Anders als bei Kant sind Schönheit und Erhabenes bei Schiller gleichwertig. Nur wenn sie beide zusammen in uns vertreten sind, befinden wir uns in der Lage, zu einem vollwertigen, moralischen Menschen zu werden. Das Schöne ist der Teil in uns, der trotz aller Versuche nicht von der Natur fortkommt. Indem wir uns wünschen, dass unsere Umgebung gut und schön sei, sind wir gefangen in unserem sinnlichen Denken. Wir machen uns durch unseren Wunsch von der Natur als unsere Umgebung abhängig. Die Stimme in uns, der es gleichgültig ist, ob Gegenstände um uns herum schön sind, die jedoch verlangt, dass dasjenige, welches bereits Existiert schön und gut sei, wird als das Erhabene bezeichnet.

Sehr einfach erklärt bedeutet dies, dass das Schöne in uns sich explizit von der Natur abhängig macht, durch den Wunsch von Schönem umgeben zu sein. Das Erhabene in uns verlangt von der Natur, dass alles, was sie schafft, schön ist und setzt sich so frei, da es sich in die Machtposition über der Natur stellt, statt sich unter ihr einzuordnen. Trotzdem sind beide Teile unabdinglich für unsere Menschlichkeit und den Begriff der Freiheit für uns:

Wir fühlen uns frey bey der Schönheit, weil die sinnlichen Triebe mit dem Gesetz der Vernunft harmonieren; wir fühlen uns frey beym Erhabenen, weil die sinnlichen Triebe auf die Gesetzgebung der Vernunft keinen Einfluss haben, weil der Geist hier handelt, als ob er unter keinem andern als seinem eigenen Gesetzen stünde. [sic] (S. 103)

Die Schönheit ist das erste, was uns als Menschen anzieht. Sie bildet uns für die ersten Lebensjahre, in welchen wir noch nicht bereit für das Erhabene sind. Während sich unser Geschmack formt, bilden wir uns moralisch weiter und entwickeln den Verstand, welcher unabdinglich für unsere Fähigkeit das Erhabene in uns aufzunehmen ist. Hier sind wir bereits bei der ästhetischen Erziehung angelangt, welche Schiller sehr eng mit seinen Gedanken über das Erhabene verknüpft. Die Schönheit begleitet uns bei allen sinnlichen Lebenserfahrungen, das Erhabene führt uns darüber hinaus. Zusammen bilden sie uns zu einem Menschen aus und machen uns zu dem, was wir sind.

Das Schöne alleine übernimmt einen großen Teil dieser Ausbildung, wir benötigen das Erhabene jedoch, um uns selbst zu erkennen. Erst durch die Erfahrung von etwas, dass über unsere übliche Fassungskraft hinausgeht und sowohl schön wie auch schaurig ist, wird uns klar, dass wir zwei Naturen in uns vereinigen. Wir alle besitzen zwei Seiten, welche komplett unterschiedliche Verhältnisse zu dem vor uns haben. Keine der beiden Instanzen dominiert, was uns als Mensch aufzeigt, dass wir die sind, die entscheiden und nicht eine der beiden Naturen.

Kants Einfluss und die Bedeutung von Fantasie

Die Aufteilung des Erhabenen in Fassungskraft und Lebenskraft ist stark an Kants mathematisches und dynamisches Erhabenes angelehnt. Sehen wir etwas, was die oben beschriebene Reaktion auslöst, so beziehen wir dies entweder auf unsere Fassungskraft in dem wir versuchen uns ein Bild davon zu machen, oder aber wir beziehen es auf unsere Lebenskraft und sehen unsere eigene Ohnmacht darin. Beides zeigt uns eigene Grenzen auf, jedoch ohne uns abzustoßen. Wir werden angezogen von dieser Unverständlichkeit von uns selbst. Unsere Fantasie ist es, die es uns erlaubt, über die eigentlichen Grenzen unserer Macht hinaus zu denken und das Erhabene überhaupt erst zu begreifen.

Wir ergötzen und an dem Sinnlichunendlichen, weil wir denken können, was die Sinne nicht mehr fassen, und der Verstand nicht mehr begreift. Wir werden begeistert von dem Furchtbaren, weil wir wollen können, was die Triebe verabscheuen, und verwerfen, was sie begehren. [sic] (S. 104)

Im Erhabenen wollen wir, was wir nicht wollen müssen und sind damit effektiv frei. Es ergibt keinen Sinn, dass wir uns von etwas angezogen fühlen, was uns verwirrt und unsere eigenen Grenzen aufzeichnet und doch hat es diese Wirkung auf uns. Indem wir uns davon distanzieren, was unser sinnlicher Teil will, sind wir vollends frei. Das Erhabene ermöglicht uns dies, durch seine eigene Unmöglichkeit.

Das Große und das Kleine

An dieser Stelle kann man sich fragen, ob es nicht unlogisch ist, wenn wir unseren Verstand nutzen, um etwas verstehen zu wollen, was unmöglich zu verstehen ist. Allerdings ist das Erhabene wichtig für unser Selbstverständnis, da wir selbst ebenso unmöglich sind.

„[D]as relativ Große (…) ist der Spiegel, worinn er das absolut Große in [sich] selbst erblickt.“ [sic] (S. 109)

Haben wir einmal das Große gesehen, so reicht uns das Kleine nicht mehr. Durch das Erwachen des Erhabenen in uns, wollen wir alles um uns herum sortieren und ordnen – auch die Welt an sich. Begreifen wir nun, dass man eben diese Größe nicht begreifen kann, so verstehen wir erst, was in uns selbst vorgeht. Unser Verstand, das Große in uns, ist ebenso unverständlich wie die Welt an sich. Das Chaos, welches keine Ordnung findet, macht uns ebenso aus, wie das unbegreifliche um uns herum. Einfach gesagt suchen wir in der Welt nach Verbindungen, weil wir annehmen, dass es sie geben muss. Wenn wir einsehen, dass dies nicht der Fall ist, sehen wir auch, dass unsere Vernunft genauso funktioniert. Auch in ihr gibt es diese Zweckverbindungen nicht. Wir lernen über unsere eigene Vernunft, in dem wir aufgeben zu versuchen, das Erhabene um uns herum verstehen zu wollen.

Doch nicht nur die Natur kann diesen Effekt auf uns haben, auch Menschen die einen erhabenen Charakter besitzen, können uns auf diese Spur bringen. Ein moralischer Charakter zeichnet sich dadurch aus, dass jemand die Tugenden besitzt. Warum ist für außenstehende unwichtig. Wir neigen dazu, die Absichten dieser Menschen zu hinterfragen, wobei das nicht nötig ist, so lange sie nur anhand der Tugenden handeln. Verliert ein Mensch jedoch alles, was ihn an diese Welt bindet, Status, Familie, Gesundheit, uns handelt noch immer nach den Tugenden, so ist er erhaben. Denn wenn jemand ohne weltliche Bindungen diese Moralvorstellung aufrechterhält, so ist dies für uns ebenso ungreifbar, wie die Macht des Erhabenen in der Natur. Unser Ideal ist das Leben in der sinnlichen Welt ohne unsere moralische Seite aufzugeben zu müssen. Schiller fasst diese Gedanken folgendermaßen zusammen:

Nur wenn das Erhabene mit dem Schönen sich gattet, uns unsre Empfänglichkeit für beydes in gleichem Maaß ausgebildet worden ist, sind wir vollendete Bürger der Natur, ohne deswegen ihre Sklaven zu seyn, und ohne unser Bürgerrecht in der intelligibeln Welt zu verscherzen. [sic] (S. 116)

Fassen wir an dieser Stelle einmal kurz alles zusammen, bevor die Rolle der Kunst diskutiert wird. Der Mensch ist nur frei, wenn er von nichts determiniert wird. Dazu muss er sich der Natur ergeben, um ihrer Gewalt zu entgehen. Für diesen Prozess benötigt er sowohl seine sinnliche Seite, als auch seine moralische. Das Erhabene hilft uns, unsere eigene Größe anzuerkennen und unseren Charakter so zu stärken, dass wir uns der Natur ohne Vorbehalte unterwerfen können um frei zu sein. Nun ist die Frage, wie genau dies erreicht werden kann. Hier kommt das Pathetische hinein, was Schiller in anderen Schriften ausbaut und erläutert.

Was ist das Pathetische?

Das Pathetische ist, stark verkürzt und vereinfacht gesagt, Leiden, welches durch die Kunst ausgedrückt wird und uns so ermöglicht, wie durch einen Filter hindurch dieses Leiden zu erfahren.

Schiller beschreibt verschiedene Möglichkeiten einer Umsetzung, von der Antike bis ins zeitgenössische Frankreich hinein. Das Pathetische ist ein künstliches Unglück, welches es uns ermöglicht aus sicherere Distanz heraus die erhabene Rührung zu erfahren. Normalerweise braucht der Mensch die Natur dazu. So wird man bei Kant durch das Erfahren einer Tragödie (ohne an ihr Teilzunehmen) in diesem Feld gebildet. Schiller eröffnet dem Menschen also eine Möglichkeit, ohne die Realerfahrungen diese Kompetenzen zu bilden.

Die Rolle der Kunst

Vorteile der Kunst sind zu einen die Konzentration des Leidens, da die Kunst sonst keine Aufgabe hat, anders als die Natur. Aber auch die Tatsache, dass uns reale Tragödien oft ohne Vorwarnung treffen und wir so zu emotional verwickelt sind, um das Erhabene zu erfahren, spielt eine wichtige Rolle. Wir trainieren an dem künstlichen, um für reale Ereignisse besser gewappnet zu sein. Um uns eine Tragödie zu bieten, muss in der Natur Gewalt geschehen. In der Kunst ist dies nicht der Fall. Künstliche Tragödien sind also in jedem Fall die menschlichere Variante.

Geschichte des Dramas

Die Geschichte des Dramas

Geschichte des Dramas


Licht an, Bühne frei – heute wirds dramatisch.


Aber was ist das eigentlich, ein Drama? Ist das nicht das, was in meiner Lieblingsdokusoap passiert? Mit Drama meine ich natürlich das Theaterstück. Woher das kommt, wie es sich entwickelt hat und was man sonst noch so generell darüber wissen sollte, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Kurze Geschichte des Dramas

Drama ist ein altgriechisches Wort und bedeutet Handlung. Unter Drama fallen generell alle Texte, in denen es verteilte Rollen gibt. Es ist neben Epik und Lyrik eine der Hauptgattungen für Literatur. Heute wird es auch oft Theater genannt, wobei Theater selbst aus dem Altgriechischen stammt und so viel wie ‚Schauplatz‘ bedeutet.

Das antike Griechenland ist der Geburtsort des Dramas. Erste Schriften stammen von Aischylos (525-455 v. Chr.), Sophokles (496-406 v. Chr.), Euripides (480-407 v. Chr.) und Aristophanes (445-385 v. Chr.). Der bekannte Philosoph Aristoteles (384-322 v. Chr.) war es, der etwa 350 v. Chr. aus den bisher bekannten Dramen eine Theorie entwickelte. Er setzte den Grundstein für das (noch heute bekannte) Freytagsschema (von Gustav Freytag, 1863) fest, zu dem ich nachher mehr schreiben werde.

Im Spätmittelalter entwickelte sich die Commedia dell‘Arte in Italien. Neben den Jesuitendramen und den barocken Opern bildete diese Commedia die Grundlage der Dramatik bis ins 17./18. Jahrhundert. Dann entwickelte sich eine Wendung zurück zu den Wurzeln, wie sich an den französischen Dramen von Moliere und Voltaire, den Werken von Racine und Shakespeare (der etwas früher dran war, als seine mitteleuropäischen Kollegen) zeigt.

In Deutschland entwickelte sich das Drama etwas langsamer. Ausgehend vom Volksdrama/Schwank (15. Jahrhundert) entwickelten sich vor allem um das Christentum herum dramatische Werke. Die Aufklärung grub die bekannten Gattungen um und schrieb dem Theaterstück vor allem eine erzieherische Funktion zu. Obwohl man sich anfangs bemühte, eine Art ‚Deutsches Nationaldrama‘ zu gründen, wurden das Schuldrama/Jesuitendrama, das Humanistendrama und der Schwank irgendwann nicht mehr weiterentwickelt. Stattdessen bemühte man sich das französische und/oder das englische Drama in Deutschland umzusetzen. Im 18. Jahrhundert erschienen vor allem Lustspiele (Minna von Barnhelm, Lessing), Bürgerliche Trauerspiele (Emilia Galotti, Lessing) und dramatische Gedichte (Nathan der Weise, Lessing). Diese bildeten die Grundlage, für das neue deutsche Theater. Sturm und Drang, Weimarer Klassik und (mehr oder minder auch) die Romantik führten dies fort und brachten das Drama in das 19. Jahrhundert. Insbesondere Goethe, Schiller und Kleist gestalteten das Theaterstück in Deutschland aktiv mit.

Das moderne Drama verdankt seinen Charakter unter anderem Friedrich Hebbel und Georg Büchner, die Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts Stücke schrieben. Eine wirkliche Revolution erlebte das deutsche Drama nochmals, als das Volksstück/Volkstheater neu belebt wurde. Auch Hauptmanns naturalistische Dramen formten die Gattung im 20. Jahrhundert mit.

Verschiedene Formen des Dramas

Etwas anschaulicher wird diese Geschichte, wenn man zentrale Formen heraussucht und anhand von Beispielen ein bisschen erklärt. Im Folgenden schauen wir uns mal das klassische Drama, die Commedia dell‘Arte, das Jesuitendrama, einige Unterarten des Volksdramas, die Theaterarten des 20. Jahrhunderts und das epische Theater an.

Fangen wir mal ganz am Anfang an:

Ursprünglich sollte das Drama im Gegensatz zu der Epik keine feste Geschichten erzählen, sondern das Verhalten von Menschen widerspiegeln (daher auch die direkte Rede) und somit eine Katharsis (Reinigung) beim Zuschauer bewirken. Das ganze wurde von Aristoteles eingeteilt in Komödie und Tragödie.

Oft wurden Figuren entweder für ihr plumpes Verhalten lächerlich gemacht/bestraft oder für richtiges, moralisches Verhalten gelobt. Ersteres dominierte, da man der Meinung war, dass Menschen aus Negativbeispielen mehr mitnahmen. Das Ganze wurde im 19. Jahrhundert von Gustav Freytag eingeteilt in das heute bekannte Freytagsschema.

Demnach spiegeln die typischen fünf Akte folgende Handlungspunkte:

1. Exposition (Einführung)

2. erregendes Moment (Steigerung/Beginn der aktiven Handlung)

3. Höhepunkt/Peripetie (Wendepunkt)

4. retardierendes Moment (fallende Handlung)

5. Katastrophe/Resolution (Auflösung die entweder positiv oder negativ ausfällt)

All dies wird hinterlegt von einem Chor, welcher wie ein Kommentator musikalisch über das Geschehende philosophiert. Die Einheit der Zeit (2 Stunden Handlung = 2 Stunden Theater) und die abgeschlossene Haupthandlung (Anfang, Mittelteil, Ende) gehören ebenfalls zu den Anforderungen des klassischen Dramas. Ein Beispiel hierfür ist Iphigenie in Aulis von Euripides.


Exkurs: Diese Art des Theaterstücks nennt man geschlossenes Drama. Offene Dramen beinhalten Szenen, die nicht logisch aufeinander aufbauen, sowie Zeitsprünge und für die Handlung unwichtige Charaktere. Im Gegensatz zum geschlossenen bildet nicht eine Szene/ein Akt den Höhepunkt (Peripetie). Alle Szenen sind gleichgestellt.


Die Commedia dell‘Arte stammt aus dem Spätmittelalter (im Mittelalter an sich gab es vor allem religiöse Dramen ohne wirklichen Bezug zum klassischen Drama. Das Theaterstück war jedoch auch nicht sonderlich beliebt und wurde erst ab dem 14. Jahrhundert wieder bekannter) und ist eine Mischung aus festen Formen und vollkommener Freiheit. Die Charaktere der Commedia sind immer gleich, ihre Masken, Kostüme und Schauspieler wechseln nicht. Die Geschichten sind jedoch improvisiert und weisen viel Akrobatik auf. Es gibt keine Skripte und damit auch keine heute untersuchbaren Aufführungen. Alleinig die Charaktere und ihre Rollen sind uns bekannt.

Im Barock entwickelten sich Dramen zunehmend wieder in kirchliche Richtung. Theaterstücke von Lehrern, für ihre Schüler (Schuldramen) wurden immer populärer. Dieser Prozess fand vor allem an jesuitischen Schulen statt, woraus sich das Jesuitendrama als eigene Gattung entwickelte. Es wurde in der Gegenreformation geboren und sollte Zweifler von der Überlegenheit der katholischen Kirche überzeugen.

Typisch für den Barock finden sich zahlreiche derbe Thematiken in den Stücken. Im Gegensatz zum (zeitgleich aufkommenden) Schwank, wurden diese Dramen jedoch ausschließlich auf Latein aufgeführt. Für die Zuschauer gab es Periochen (Programmhefte mit deutscher Übersetzungshilfe). Kirchengeschichte, Märtyrer, Missionare und Heiligenlegenden bildeten den Stoff für über 7.500 Dramen im (erweiterten) 16. Jahrhundert.

Ab dem 18. Jahrhundert entwickelten sich zahlreiche Dramenformen (Lustspiel, Schauspiel, Tragikkommödie, Bürgerliches Trauerspiel), welche sich fast alle auch in der Tradition des Volksdrama finden. Dieses entwickelte sich aus der Commedia dell‘Arte und bildete eine deutsche Version davon. Feste Charaktere gab es zumindest teilweise (Hans Wurst, Herr und Knecht) und auch das Script war gemischt zwischen Improvisation und festem Dialog. Oft gab es lose Angaben für Hans Wurst (dessen einzige Aufgabe es war, witzig zu sein) und festgesetzte Angaben für alle anderen. Volksstücke handeln vom Volk. Das ist der entscheidende Unterschied zu den bisherigen Dramen. Sie unterteilen sich theoretisch in Unterkategorien wie Lokalposse, Zauberspiel oder Besserungsstück. Allerdings überlappen sich diese Kategorien bei fast allen Stücken. Oft waren die Schriftsteller selber Schauspieler, welche ihre eigenen Stücke mit umsetzten. Ein schönes, bekanntes Beispiel bietet Das vierte Gebot von Ludwig Anzengruber.



Volksdramen wurden von Marieluise Fleißer und Ödön von Horváth im 21. Jahrhundert neu belebt und erfüllen bis heute das gleiche Ziel. Sie sollen dem Volk einen Spiegel vorhalten. Negatives Verhalten steht im Zentrum, sowohl von den oberen, als auch den unteren Schichten. Ein modernes Beispiel findet sich bei Marie-Luise Fleißers Fegefeuer in Ingolstadt.


Wer sich mehr über das Volksstück informieren möchte, kann sich auch diese Blogreihe ansehen.



Im 20. Jahrhundert dominierten Formen des sozialen und analytischen Dramas. Neue Medien nahmen einen entscheidenden Platz in Theateraufführungen ein und politische Themen wurden mehr und mehr zum Zentrum. Kritik an der Zensur in der Weimarer Republik, der aufsteigende Nationalsozialismus, sowie sozialpolitische Themen wie Abtreibung, Verlust der Religion und Selbstmord wurden bis in die 1930er auf den Bühnen (und teilweise im Geheimen) aufgeführt. Bereits in den 20ern wurden zahlreiche Politiker*innen, Aktivist*innen und Schriftsteller*innen festgenommen und schrieben im Gefängnis weiter (wie beispielsweise Ernst Toller und seine sozialkritischen Werke Masse-Mensch oder Hoppla wir leben). Dann gab es eine scharfen Zäsur und die Dramenproduktion stoppt fast komplett (aus bekannten Gründen) bis in die 50er. Ebenfalls einschneidend sind die zahlreiche Suizide von Schriftstellern in den 40ern und 50ern, die nach ihrer Flucht aus Deutschland ihr Leben beendeten (hier bietet ebenfalls Ernst Toller ein trauriges Beispiel).



Das epische Theater wurde von Bertolt Brecht erfunden und revolutionierte das Drama im 20. Jahrhundert. Es ist eine offene Dramenform, die zusätzlich einen Erzähler hat. Dieser ermöglicht es dem Drama ohne tragische Heldenfiguren auszukommen. Das Geschehen wird objektiv dargestellt, Missstände sind besser erkennbar. Der Fokus wird vom Wiedergeben menschlichen Verhaltens zu der Darstellung der Gesellschaft gelegt. Zeit, Raum, Handlung und Komposition werden außer Kraft gesetzt. Wichtiger Bestandteil ist der sogenannte V-Effekt oder auch Verfremdungseffekt. Dieser ist ein Stilmittel, welches durch Unterbrechen der Handlung mit Kommentaren/Einschüben des Erzählers die Illusion einer richtigen Handlung zerstört und daran erinnert, das große Bild zu sehen. Das epische Theater bildete einen grundlegenden Gegenpol im Nationalsozialismus, da es offen und hart gegen die Diktatur und die Mittel der Zeit kritisierte. Wer ein Beispiel möchte, kann sich Bertolt Brechts und Elisabeth Hauptmanns Dreigroschenoper ansehen.



Wir sind zu nahe am aktuellen Geschehen, um Muster zu erkennen und das Drama im 21. Jahrhundert wirklich zu kategorisieren. Bisher spricht man vor allem vom postdramatischen Theater, also einer Strömung, welche sich durch Ein-Mann-Stücke, abstrakte Theaterformen und Performance statt Handlung auszeichnet. Gesellschaftskritik und politische Themen, wie auch Naturschutz und Reflexion der Menschheit an sich sind häufige Themen.


So und wenn ihr jetzt angefixt seid, und wissen wollt, wie man so was denn heutzutage schreibt, dann schaut doch mal beim Sven Hensel rein: Wie man ein Theaterstück schreibt.